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Forum "Geschichte" - Bismarcks Innenpolitik
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Bismarcks Innenpolitik: Frage (beantwortet)
Status: (Frage) beantwortet Status 
Datum: 11:31 Do 21.02.2013
Autor: Bina13

Aufgabe
Aufgabe: Halten Sie die Beurteilung Bismarcks durch Eugen Richter in allem Punkten für stichhaltig? Wo liegt möglicherweise eine Überzeichnung vor?

Text: "Die Entlassung des Reichskanzlers Fürsten Bismarck ist eine vollendete Tatsache. Gott sei Dank,daß er fort ist! so sagen wir heute ebenso aufrichtig, wie wir ihm gegenüber stets gewesen sind. Es wäre ein Segen für das Reich gewesen, wenn er schon viel früher beseitigt worden wäre. Nicht um der Person willen sagen wir dies, sondern wegen des Regierungssystems, welches Fürst Bismarck verfolgte.

Es ist unsere innerste Überzeugung, daß eine Fortsetzung der bisherigen inneren Poltik, wie sie namentlich seit 1877 begonnen, nach einen ebensolchen Zeitraum tätsächlich Deutschland in den Abgrund geführt haben würde. Daß bei den letzten Wahlen die deutsche Bevölkerung sich zu einem Fünftel zu einer republikanischen Partei bekannt hat, ist in der Hauptsache die Furcht des Bismarckschen Regierungssystems, welcher nur zu sehr geeignet war, die Sozialdemokratie bald mittels dargereichtem Zuckerbrotes, bald mittels angewandten Peitsche künstlich großzuziehen.

Dazu sind die konfessionellen Gegensätze verschärft worden durch den mittels Polizei und Strafbestimunge geführten kirchenpolitischen Kampf (...).
Das gewaltige Emporwuchern der Interessenparteien, welche rücksichtslos die Ausbeutung der Staatsgewalt auf Kosten des algemeinen Wohles erstrebenn, ist zurückzuführen auf die Schutzzollpolitik und jene Schutzzollagitationen, zu welchen der Kanzler persönlich in jedr Weise aufgefordert und anngereizt hat. die Verhetzung der politschen parteien untereinander, die Verdächtigung der Vaterlandsliebe, das Absprechen des Patriotismus für jeden politisch Andersdenkenden ist die Folge einer korrumpierten Presse und des Tonesm welchen die Kanzlerpresse stets angeschlagen hat gegen alle, welche einmal andere Ansichten bekundeten als der Kanzler. (...)

Die Volksvertretung wurde stets in der rücksichtslosesten Weise behandelt und in ihrem Ansehen herabgewürdigt, so oft sie dem Kanzler nicht zu Gefallen stimmte. (...)

Erst eine spätere Generation wird ein vollkommen Gerechtes Urteil über den Fürsten Bismarck fällen. WIr sind der Meinung, die Nachwelt wir seine 28jährige Wirksamkeit in ihrer Gesamtheit weniger in den Himmel erheben, als es die Mitwelt mehrfach getan hat. Vor den Augen der letzteren kam voll und ganz zur Geltung, was er für die Einheit des Vaterlandes getan; aber wie seine falsche innere Politik an dem Volksleben gesündigt, das wird in seinem ganzen Umfang erst späteren Generationen zum vollen Bewusstsein gelangen, die noch unter den Nachwirkungen dieser Politik zu leiden haben werden. (...)


Also, mein Problem ist es, die Überzeichnung herauszuarbeiten. Irgendwie stehe ich völlig auf dem Schlauch, vielleicht kann mir ja jemand helfen :-( .

Mein Ansatz wäre, dass Eugen Richters Beurteilung in den meisten Punkten stichhaltig ist, da Bismarck sich zwar sehr um die Außenpolitik bemühte, aber dabei die Innenpoltik vernachlässigte. Er stärkte die Sozialdemokratie mit seinem Sozialistengesetz, da diese enger zusammentraten und im Untergrund weiter agierten. Im Reichtstag kam dieser Zusammenhalt und ihre Zustimmung in der Bevölkerung dadurch zum Ausdruck, dass sie bei den Reichstagswahlen vom 20.02.1890 20% der Stimmen erhielten. Auch im Kulturkampf ging er mit Härte gegen seine Gegner vor und stärkte somit das Zentrum. Darüber hinaus spielte Bismarck die Parteien gegeneinander aus und erklärte sie, je nachdem, ob sie auf seiner Seite waren, oder nicht, zu Reichsfeinden oder Reichsfreunden, und erzielte somit eine Spaltung im Reichstag. Er gab den Parteien zudem nur in gerigem Maße das Recht auf politische Mitbestimmung, sodass er sich zwar auf sie stützen konnte, aber sein Regierungssystem durch sie nicht gefährdet werden konnte.
Eine Überzeichnung liegt aber trotzdem im ganzen Text vor, da Richter das Hervortreten der Sozialdemokratie allein auf Bismarcks innenpolitsches Misslingen bezieht. Andere Einflüsse scheinen für ihnen keine Rolle zu spielen. Darüber hinaus wirft er ein Licht auf Bismarck, dass ihn so darstellt, als habe Bismarck es nur auf ein Empoirwachsen der Sozialdemokraten angelegt und stellt ihn als korrupt und rücksichtslos dar.




Ich habe diese Frage in keinem Forum auf anderen Internetseiten gestellt.

        
Bezug
Bismarcks Innenpolitik: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 17:27 Do 21.02.2013
Autor: Josef

Hallo Bina13,

> Aufgabe: Halten Sie die Beurteilung Bismarcks durch Eugen
> Richter in allem Punkten für stichhaltig? Wo liegt
> möglicherweise eine Überzeichnung vor?

>  Text: "Die Entlassung des Reichskanzlers Fürsten Bismarck
> ist eine vollendete Tatsache. Gott sei Dank,daß er fort
> ist! so sagen wir heute ebenso aufrichtig, wie wir ihm
> gegenüber stets gewesen sind. Es wäre ein Segen für das
> Reich gewesen, wenn er schon viel früher beseitigt worden
> wäre. Nicht um der Person willen sagen wir dies, sondern
> wegen des Regierungssystems, welches Fürst Bismarck
> verfolgte.

„Bismarck scheute vor einem Verfassungsbruch nicht zurück und regierte einige Jahre ohne verfassungsgemäß abgestimmten Haushalt, mit Pressezensur und Entlassung von nicht absolut loyalen Staatsbeamten.“

>  
> Es ist unsere innerste Überzeugung, daß eine Fortsetzung
> der bisherigen inneren Poltik, wie sie namentlich seit 1877
> begonnen, nach einen ebensolchen Zeitraum tätsächlich
> Deutschland in den Abgrund geführt haben würde.

"Bismarck wird häufig der Vorwurf gemacht, er habe innenpolitische Schwierigkeiten durch militärische außenpolitische Erfolge zu überspielen versucht. Tatsächlich hat Bismarck diese Verfassungskrise erst einmal mit Erfolg „ausgesessen“.

Bismarck gelang es, das Mittel des Krieges dreimal in einer rational beherrschten und diplomatisch abgeschirmten Weise einzusetzen. Er nahm also nur ein kalkulierbares Außenrisiko auf sich. Auf diese Weise wurde die Lebensdauer des  alten Regimes verlängert und anstehende Grundsatzentscheidungen in die Zukunft hinein aufgeschoben."

>  Daß bei
> den letzten Wahlen die deutsche Bevölkerung sich zu einem
> Fünftel zu einer republikanischen Partei bekannt hat, ist
> in der Hauptsache die Furcht des Bismarckschen
> Regierungssystems, welcher nur zu sehr geeignet war, die
> Sozialdemokratie bald mittels dargereichtem Zuckerbrotes,
> bald mittels angewandten Peitsche künstlich
> großzuziehen.
>  
> Dazu sind die konfessionellen Gegensätze verschärft
> worden durch den mittels Polizei und Strafbestimunge
> geführten kirchenpolitischen Kampf (...).


"Bismarck akzeptierte die informelle Allianz mit der liberalen Bewegung. Diese Politik schien den Konservativen verdächtig. Sie argwöhnten, dass der neue Nationalstaat den traditionellen Staat bedrohen könnte und sie meinten, dass Bismarck auf diese Weise Liberalismus und Demokratie zum Durchbruch verhelfen könnte. Dies würde einem späten Sieg der Revolution von 1789 oder 1848 auch in Preußen gleichkommen. Tatsächlich kann das 1871 gegründete Deutsche Reich keineswegs – trotz seines modernen Wahlrechts – als demokratisch bezeichnet werden. Die Macht des Reichstags war hierfür viel zu eng begrenzt."




> Das gewaltige Emporwuchern der Interessenparteien, welche
> rücksichtslos die Ausbeutung der Staatsgewalt auf Kosten
> des algemeinen Wohles erstrebenn, ist zurückzuführen auf
> die Schutzzollpolitik und jene Schutzzollagitationen, zu
> welchen der Kanzler persönlich in jedr Weise aufgefordert
> und anngereizt hat. die Verhetzung der politschen parteien
> untereinander, die Verdächtigung der Vaterlandsliebe, das
> Absprechen des Patriotismus für jeden politisch
> Andersdenkenden ist die Folge einer korrumpierten Presse
> und des Tonesm welchen die Kanzlerpresse stets angeschlagen
> hat gegen alle, welche einmal andere Ansichten bekundeten
> als der Kanzler. (...)

"Während Bismarck nach dem Einigungsprozess behutsam taktierte und dadurch die deutsche Stellung international sichern wollte sowie wiederholt als „ehrlicher Makler“ bei internationalen Konflikten (etwa der Balkanfrage) agierte, kannte er in der Innenpolitik nur undifferenziert „Freund“ und „Feind“. Der katholischen Kirche und der Zentrumspartei stand Bismarck mit unverhohlenem Misstrauen gegenüber, sie galten als „romhörig“ und nicht als national verlässlich.
Ähnlich schroff war Bismarcks Haltung zur sich formierenden Arbeiterbewegung,  also den Arbeitervereinen, den Gewerkschaften und insbesondere den Sozialdemokraten."




>  
> Die Volksvertretung wurde stets in der rücksichtslosesten
> Weise behandelt und in ihrem Ansehen herabgewürdigt, so
> oft sie dem Kanzler nicht zu Gefallen stimmte. (...)
>  

"In der allgemeinen Erregung ließ der Reichskanzler den Reichstag auflösen und mit der neuen Mehrheit wurde das Sozialistengesetz verabschiedet, das die SPD und die mit ihr verbundenen Arbeitervereine verbot. Bismarck beschwor den Reichstag, indem er der Sozialdemokratie den Charakter einer feindlichen Armee attestierte,die die Eigentumsordnung umstürzen wolle. Allerdings durften die Sozialdemokraten nach der Verabschiedung des Gesetzes weiterhin an den Reichstagswahlen teilnehmen. "


> Erst eine spätere Generation wird ein vollkommen Gerechtes
> Urteil über den Fürsten Bismarck fällen. WIr sind der
> Meinung, die Nachwelt wir seine 28jährige Wirksamkeit in
> ihrer Gesamtheit weniger in den Himmel erheben, als es die
> Mitwelt mehrfach getan hat. Vor den Augen der letzteren kam
> voll und ganz zur Geltung, was er für die Einheit des
> Vaterlandes getan; aber wie seine falsche innere Politik an
> dem Volksleben gesündigt, das wird in seinem ganzen Umfang
> erst späteren Generationen zum vollen Bewusstsein
> gelangen, die noch unter den Nachwirkungen dieser Politik
> zu leiden haben werden. (...)
>  

"Mit den Sozialgesetzen seit 1883 (Krankenversicherungsgesetz, Unfallversicherungsgesetz, Alterssicherungsgesetz) wollte Bismrck das Proletariat an den bestehenden Staat binden. Diese Gesetzte, deren Leistungen zunächst noch sehr gering waren, aber in der Folgezeit erweitert wurden, gelten weiterhin als vorbildlich. "


>
> Also, mein Problem ist es, die Überzeichnung
> herauszuarbeiten. Irgendwie stehe ich völlig auf dem
> Schlauch, vielleicht kann mir ja jemand helfen :-( .
>  
> Mein Ansatz wäre, dass Eugen Richters Beurteilung in den
> meisten Punkten stichhaltig ist,

[ok]

> da Bismarck sich zwar sehr
> um die Außenpolitik bemühte, aber dabei die Innenpoltik
> vernachlässigte.

[ok]

> Er stärkte die Sozialdemokratie mit
> seinem Sozialistengesetz, da diese enger zusammentraten und
> im Untergrund weiter agierten. Im Reichtstag kam dieser
> Zusammenhalt und ihre Zustimmung in der Bevölkerung
> dadurch zum Ausdruck, dass sie bei den Reichstagswahlen vom
> 20.02.1890 20% der Stimmen erhielten.

[ok]

"Entgegen Bismarcks Kalkül nahm der Stimmenanteil für die Sozialdemokraten fast kontinuierlich zu, bis die SPD in den Reichstagswahlen von 1912 zur stärksten Reichstagsfraktion wurde."





> Auch im Kulturkampf
> ging er mit Härte gegen seine Gegner vor

[ok]

>  und stärkte
> somit das Zentrum. Darüber hinaus spielte Bismarck die
> Parteien gegeneinander aus und erklärte sie, je nachdem,
> ob sie auf seiner Seite waren, oder nicht, zu Reichsfeinden
> oder Reichsfreunden, und erzielte somit eine Spaltung im
> Reichstag. Er gab den Parteien zudem nur in gerigem Maße
> das Recht auf politische Mitbestimmung, sodass er sich zwar
> auf sie stützen konnte, aber sein Regierungssystem durch
> sie nicht gefährdet werden konnte.

> Eine Überzeichnung liegt aber trotzdem im ganzen Text vor,
> da Richter das Hervortreten der Sozialdemokratie allein auf
> Bismarcks innenpolitsches Misslingen bezieht.

[ok]

> Andere
> Einflüsse scheinen für ihnen keine Rolle zu spielen.

[ok]

> Darüber hinaus wirft er ein Licht auf Bismarck, dass ihn
> so darstellt, als habe Bismarck es nur auf ein
> Empoirwachsen der Sozialdemokraten angelegt und stellt ihn
> als korrupt und rücksichtslos dar.
>  


"Bismarck sah durchaus die Fürsorgepflicht des Staates gegenüber den Schwachen in der Gesellschaft und war sogar bereit, in gewissem Umfang eine Art "Staatssozialismus" zu praktizieren. Insofern vertrat er einen ganz anderen Standpunkt als die Liberalen, die eine staatliche Sozialpolitik eher ablehnten."  




Hilfsmittel: Abitur clever vorbereitet; Geschichte; Schülerhilfe; tandem Verlag


Viele Grüße
Josef

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