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Hallo Zusammen,
Ich wollte zuerst einmal klären, ob ich die Kapitalwertmethode so richtig verstanden habe.
Gegeben ist also ein Projekt mit einem vorgegebenen kalkulatorischen Zinssatz [mm]r[/mm] in Prozent pro Jahr und einer Laufzeit [mm]n[/mm] in Jahren. In jedem Jahr finden Einzahlungen [mm]E_{t_i}[/mm] und Auszahlungen [mm]A_{t_i}[/mm] statt. Die Einzahlungsüberschüsse [mm]Z_{t_i} := E_{t_i} - A_{t_i}[/mm] werden abgezinst und nach folgenden Formeln aufaddiert:
[mm]\texttt{Kapitalwert} = KW(r) := \sum_{i=0}^n{\left(E_{t_i}-A_{t_i}\right)(1+r)^{-\left(t_i-t_0\right)}}[/mm]
[mm]\texttt{Endwert} = EW(r) := \sum_{i=0}^n{\left(E_{t_i}-A_{t_i}\right)(1+r)^{t_n-t_i}}[/mm]
Man hat also ein fremdfinanziertes Projekt und nimmt einen Kredit von [mm]0-A_{t_0}[/mm] Geldeinheiten auf. Danach muß man den Kredit zum Zinssatz [mm]r[/mm] zurückzahlen, oder? Ich verstehe nämlich nicht, warum in dieser Summe die Einzahlungsüberschüsse abgezinst werden. Klar, die abgezinsten Teile sind wohl die Gelder, die den Kredit decken, aber müßte es nicht eigentlich so sein, daß der Zins direkt aus [mm]-A_{t_0}[/mm] berechnet werden muß?
Hier im Skript ist auch ein Beispiel dazu. Ich versuche das mal so durchzurechnen, wie ich mir das vorstelle, und schreibe auch hin, wie das nach dieser Kapitalwertmethode funktioniert:
Es sei [mm]r := 10\%[/mm]. Gegeben sei die folgende Zahlungsreihe einer Investitionsmöglichkeit:
[mm]\begin{array}{r|rrrrr}
t & t_0 = 0\texttt{ Jahre}&t_1 = 1\texttt{ Jahr}&t_2 = 2\texttt{ Jahre}&t_3 = 3\texttt{ Jahre}&t_4 = 4\texttt{ Jahre}\\\hline
A_t & 400000&120000&50000&10000&110000\\
E_t & 0&200000&200000&200000&200000\\\hline
Z_t := E_t - A_t & -400000 & 80000 & 150000& 190000 & 90000
\end{array}[/mm]
Ok, dann rechne ich:
Jahr 1: [mm]-400000\cdot{}1.1 = -440000[/mm] und [mm]-440000 + 80000 = -360000[/mm]
Jahr 2: [mm]-360000\cdot{}1.1 = -396000[/mm] und [mm]-396000 + 150000 = -246000[/mm]
Jahr 3: [mm]-246000\cdot{1.1} = -270600[/mm] und [mm]-270600 + 190000 = -80600[/mm]
Jahr 4: [mm]-80600\cdot{1.1} = -88660[/mm] und [mm]-88660 + 90000 = 1340[/mm]
Hmm, *lol* ich merke gerade, daß das ja das Gleiche ist wie die Endwertmethode, die Ergebnisse stimmen jedenfalls überein. Ich werd' mir das mal allgemeiner aufschreiben müssen, dann müßte man ja eigentlich diese allgemeine Endwertsumme herleiten können.
Aber was ist mit der Kapitalwertmethode? Ich sehe eigentlich nicht, warum sie sinnvoll ist, um zu entscheiden, ob man ein Projekt durchführen sollte oder nicht? Ich schreib's der Vollständigkeit halber mal aus dem Skript ab:
[mm]KW(r=10\%) = \sum_{i=0}^4{Z_{t_i}1.1^{-i}} = -400000 + \frac{80000}{1.1}+\frac{150000}{1.1^2}+\frac{190000}{1.1^3}+\frac{90000}{1.1^4} = 915.238.[/mm]
Entsprechend ergibt sich der Endwert der Investitionsmöglichkeit zu:
[mm]EW(r=10\%) = 1.1^4\cdot{}KW(r=10\%)=1340.[/mm]
Na ja, vielleicht finde ich ja jetzt einen Zugang zum Verständnis der beiden Methoden. (Im Prinzip müßte ich ja nur meine obige Rechnung (welche ich sinnvoll finde und verstehe) verallgemeinern und daraus diese Endwertsummenformel basteln, denn laut Skript sind die beiden Methoden KW und EW ineinander überführbar. Aber vielleicht hat ja in der Zwischenzeit jemand Zeit und Lust mir das zu erklären. (Außerdem weiß ich auch nicht, ob ich's schaffe...))
Viele Grüße
Karl
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Hallo Karl_Pech!
> Ich wollte zuerst einmal klären, ob ich die
> Kapitalwertmethode so richtig verstanden habe.
> Gegeben ist also ein Projekt mit einem vorgegebenen
> kalkulatorischen Zinssatz [mm]r[/mm] in Prozent pro Jahr und einer
> Laufzeit [mm]n[/mm] in Jahren. In jedem Jahr finden Einzahlungen
> [mm]E_{t_i}[/mm] und Auszahlungen [mm]A_{t_i}[/mm] statt. Die
> Einzahlungsüberschüsse [mm]Z_{t_i} := E_{t_i} - A_{t_i}[/mm] werden
> abgezinst und nach folgenden Formeln aufaddiert:
>
>
> [mm]\texttt{Kapitalwert} = KW(r) := \sum_{i=0}^n{\left(E_{t_i}-A_{t_i}\right)(1+r)^{-\left(t_i-t_0\right)}}[/mm]
>
> [mm]\texttt{Endwert} = EW(r) := \sum_{i=0}^n{\left(E_{t_i}-A_{t_i}\right)(1+r)^{t_n-t_i}}[/mm]
Das ist richtig.
> Man hat also ein fremdfinanziertes Projekt und nimmt einen
> Kredit von [mm]0-A_{t_0}[/mm] Geldeinheiten auf. Danach muß man den
> Kredit zum Zinssatz [mm]r[/mm] zurückzahlen, oder? Ich verstehe
> nämlich nicht, warum in dieser Summe die
> Einzahlungsüberschüsse abgezinst werden. Klar, die
> abgezinsten Teile sind wohl die Gelder, die den Kredit
> decken, aber müßte es nicht eigentlich so sein, daß der
> Zins direkt aus [mm]-A_{t_0}[/mm] berechnet werden muß?
In welchen Raten man den Kredit in der Zukunft bedienen muss, hängt im wesentlichen auch davon, welche Art von Kredit man gewählt hat. Generell erfolgt die Kreditvergabe jedoch heute (also in t=0), die Rückzahlungen in den jeweils folgenden Jahren (t>0). Die Raten des Kredites sind also als Ausgaben in der Zukunft anzusehen, welche die jeweiligen Zahlungsüberschüsse [mm] Z_{t} [/mm] beeinflussen.
> Aber was ist mit der Kapitalwertmethode? Ich sehe
> eigentlich nicht, warum sie sinnvoll ist, um zu
> entscheiden, ob man ein Projekt durchführen sollte oder
> nicht?
Dynamische Investitionsrechnungsverfahren (Kapitalwertmethode, interne Zinsfuss-Methode usw.) haben gegenüber statischen Verfahren (Kostenvergleichsrechnung, Gewinnvergleichsrechnung usw.) einen wesentlichen Vorteil: sie berücksichtigen den Zeitwert des Geldes.
Das Problem liegt nämlich hier: Die Ausgaben, die eine Investition heute verursacht sind monetär als Geldwert erfassbar (i.d.R. werden die Investitionen in t=0 getätigt). Die Zahlungsüberschüsse, die die Investition verursacht sind generell erst in zukünftigen Epochen erfassbar. Und genau hie rliegt das eigentliche Problem, denn wie will mann bspw. 100 Euro in der Zukunft mit 100 Euro in der Gegenwart miteinander vergleichen? Die 100 Euro von heute, hätte man auch risikolos anlegen und Erträge daraus erhalten können. Hier greift nun der Vergleichszins ein. Dieser gibt nämlich an, zu wieviel Prozent ich meine Investition auch hätte anlegen können (Stichwort: Opportunitätskosten). Und jetzt kommt der Grund auch heraus, warum man die Zahlungsüberschüsse der Zukunft abzinst: Man diskontiert die Überschüsse in der Zukunft auf das Jahr t=0. (Man klärt also die Frage wieviel das Geld in der Zukunft heute Wert wäre, wenn man den Vergleichszing kennt)
Bei der Kapitalwertmethode macht man also im Grunde nichts anderes, also die jeweiligen Zahlungsüberschüsse der Zukunft auf die Gegenwart "umzurechnen". Wenn man dann diese diskontierten Zahlungsüberschüsse zusammenadiert, dann weiss man, wieviel die Investition, die wir heute tätigen, insgesamt an Erträgen erwirtschaftet. Sind diese Erträge größer als die Anfangsinvestition, dann ergibt sich ein positiver Kapitalwert und die Investition sollte durchgeführt werden. Ist der Kapitalwert negativ, dann kostet die Investion real mehr als sie einspielt -> die Investition sollte nicht durchgeführt werden. Ist der Kapitalwert gleich null, dann bedeutet dies, daß die Investition gerade soviel einspielen wird, wie sie heute kostet. Hier muss man dann separat entscheiden, ob die Investition durchgeführt werden sollte. Gründe, die dafür sprechen sind beispielsweise die Sicherung der Marktführerschaft oder die Möglichkeit Folgeinvestitionen zu tätigen, die möglicherweise Wettbewerbsvorteile versprechen (Stichwort: Realoption).
Die Kapitalwertmethode ist übrigens eines der Grundhandwerkszeuge in der Finanzwirtschaft und führt generell zu besseren Investionsentscheidungen als statische Verfahren.
Siehst du jetzt den Nutzen der Kapiatlwertmethode in Bezug auf die Investitionsentscheidung genauer? Wenn nicht: einfach nachfragen.
Gruß,
Tommy
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Hallo Tommy!
> Siehst du jetzt den Nutzen der Kapiatlwertmethode in Bezug
> auf die Investitionsentscheidung genauer? Wenn nicht:
> einfach nachfragen.
Ich denke, ich habe den Sinn jetzt verstehen können, danke! Im Übrigen habe ich jetzt gerade eben noch versucht die Formel herzuleiten und es hat auch problemlos geklappt. Ich schreib's als Ergänzung mal hin.
Was ich bei meiner Rechnung mache, sieht ja allgemein so aus:
Zeitraum [mm]t_1 -t_0[/mm]: [mm]Z_{t_0}(1+r)^{t_1-t_0} + Z_{t_1}[/mm]
Zeitraum [mm]t_2-t_1[/mm]: [mm]\left(Z_{t_0}(1+r)^{t_1-t_0} + Z_{t_1}\right)(1+r)^{t_2-t_1} + Z_{t_2}[/mm]
u.s.w.
Multipliziert man für den 2ten Zeitraum aus und schreibt die Formeln hintereinander, sieht man auch das Muster der Endwertformel:
[mm]Z_{t_0}(1+r)^{t_1-t_0} + Z_{t_1}\textcolor{blue}{(1+r)^{t_1-t_1}}[/mm]
[mm]Z_{t_0}(1+r)^{t_2-t_0} + Z_{t_1}(1+r)^{t_2-t_1} + Z_{t_2}\textcolor{blue}{(1+r)^{t_2-t_2}}[/mm]
Allgemein also: [mm]\textstyle\sum_{i=0}^n{Z_{t_i}(1+r)^{t_n-t_i}}[/mm]
Und die entsprechende Umformung aus dem Skript, welche uns die Kapitalwertformel in Abhängigkeit der Endwertformel liefert, lautet:
[mm]\sum_{i=0}^n{Z_{t_i}(1+r)^{t_n+t_0-t_0-t_i}} = (1+r)^{t_n-t_0}\sum_{i=0}^n{Z_{t_i}(1+r)^{t_0-t_i}} = (1+r)^{t_n-t_0}\sum_{i=0}^n{Z_{t_i}(1+r)^{-\left(t_i-t_0\right)}}[/mm]
Laut Skript, gilt dies aber nur, falls der Anlagezinssatz und Kreditzinssatz übereinstimmen. Und da verstehe ich nicht, wo diese beiden Zinssätze in der obigen Gleichung vorkommen (also welche Variablen sind das)? Wie sollte es denn möglich sein, daß diese Gleichung nicht mehr gilt?
Grüße
Karl
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Status: |
(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 12:39 Mi 30.05.2007 | Autor: | VNV_Tommy |
> Und die entsprechende Umformung aus dem Skript, welche uns
> die Kapitalwertformel in Abhängigkeit der Endwertformel
> liefert, lautet:
>
>
> [mm]\sum_{i=0}^n{Z_{t_i}(1+r)^{t_n+t_0-t_0-t_i}} = (1+r)^{t_n-t_0}\sum_{i=0}^n{Z_{t_i}(1+r)^{t_0-t_i}} = (1+r)^{t_n-t_0}\sum_{i=0}^n{Z_{t_i}(1+r)^{-\left(t_i-t_0\right)}}[/mm]
>
>
> Laut Skript, gilt dies aber nur, falls der Anlagezinssatz
> und Kreditzinssatz übereinstimmen. Und da verstehe ich
> nicht, wo diese beiden Zinssätze in der obigen Gleichung
> vorkommen (also welche Variablen sind das)? Wie sollte es
> denn möglich sein, daß diese Gleichung nicht mehr gilt?
Ehrlich gesagt bin ich ein wenig irritiert bezüglich der Formel des Kapiatlwertes in Abhängigkeit vom Endwert. Im Grunde steht doch dort jetzt, daß der Kapitalwert gleich dem Endwert der Investition ist. Bist du dir da sicher? Oder steht in deinem Skript vielleicht nur, dass, wenn Soll- und Haben-Zins gleich sind, auch die Entscheidungsempfehlungen beider Verfahren gleich sind? Das würde nämlich vom sinn her passen.
Gruß,
Tommy
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Hallo Tommy,
> Ehrlich gesagt bin ich ein wenig irritiert bezüglich der
> Formel des Kapiatlwertes in Abhängigkeit vom Endwert. Im
> Grunde steht doch dort jetzt, daß der Kapitalwert gleich
> dem Endwert der Investition ist. Bist du dir da sicher?
> Oder steht in deinem Skript vielleicht nur, dass, wenn
> Soll- und Haben-Zins gleich sind, auch die
> Entscheidungsempfehlungen beider Verfahren gleich sind? Das
> würde nämlich vom sinn her passen.
Ja, so ähnlich steht es da. Die Entscheidungsfindungen sind identisch, wenn der Anlage- & Kreditzinssatz übereinstimmen (und das wäre in einem vollkommenen Kapitalmarkt der Fall). Wenn ich das richtig verstehe, ist dieses [mm]r[/mm] dann dort beides zugleich. Und wie sind dann die Formeln in einem unvollkommenen Kapitalmarkt? Oder sind die Formeln gleich und man macht nur irgendwelche Fallunterscheidungen?
Viele Grüße
Karl
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> Ja, so ähnlich steht es da. Die Entscheidungsfindungen sind
> identisch, wenn der Anlage- & Kreditzinssatz übereinstimmen
> (und das wäre in einem vollkommenen Kapitalmarkt der Fall).
> Wenn ich das richtig verstehe, ist dieses [mm]r[/mm] dann dort
> beides zugleich.
Richtig. Wenn der Anlagezins (Habenzins) und der Kreditzins (Sollzins) identisch sind kann man stellvertretend für beide r wählen.
> Und wie sind dann die Formeln in einem
> unvollkommenen Kapitalmarkt? Oder sind die Formeln gleich
> und man macht nur irgendwelche Fallunterscheidungen?
Der vollkommene Kapitalmarkt ist dadurch gekennzeichnet, dass jeder Marktteilnehmer alle für den Markt wichtigen Informationen kennt. Man spricht von einen informationseffizienten Markt. Da alle Marktteilnehmer über das gleiche Wissen verfügen, entwickeln auch alle Marktteilnehmer die gleichen Präferrenzen, was den Marktpreis (=Zins) am Kapitalmarkt betrifft. Die Folge daraus ist, dass Sowohl Kreditnehmer und Kreditgeber den echten Preis (also den Zins) des Kredites kennen. Der Sollzins und Habenzins entprechen einander.
Im unvollkommenen Kapitalmarkt sind Soll- und Habenzins unterschiedlich, da sich seitens der Banken und seitens der Kreditnehmer unterschiedliche Preisvorstellungen herausbilden. Diese Preisvorstellungen variieren im Zeitablauf, sodass es nicht möglich wäre einen einheitlichen Zins für die Investitionsverfahren zu bestimmen. Dieses Problem wird in der Literatur schon länger behandelt, bis jetzt scheint es jedoch keine echte Lösung für das Problem der variablen Zinsen zu geben. (vgl. Perridon / Steiner: Finanzwirtschaft der Unternehmung. 8. Auflage, München: Verlag Franz Vahlen, 1995, S. 84ff., speziell S. 87: Dynamische Endwertverfahren)
Aus den genannten Gründen wird der Einfachheit halber deshalb immer vom vollkommenen Kapitalmarkt ausgegangen.
Die von mir erwähnte Literatur habe ich leider nur in der 8.Auflage zu Hause verfügbar. Mittlerweile gibt es sie aber schon in der 14. Auflage. Vielleicht sind dort schon verbesserte Ansätze zu finden.
Gruß,
Tommy
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Status: |
(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 00:01 Do 31.05.2007 | Autor: | Karl_Pech |
Hallo Tommy,
Danke nochmal für deine ausführlichen Antworten. Das Problem hat sich nach deiner letzten Antwort geklärt; Bin nur nicht dazu gekommen dir sofort diese Mitteilung zu schreiben.
Grüße
Karl
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