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Aufgabe | Sei G*:= [mm]C\setminus\{iy: -1 \le y\ge +1\} [/mm]
Sei G:= G*[mm] \cup \{\infty\} [/mm] das Gebiet auf der Riemannschen Zahlensphäre P, das aus G* durch Hinzufügen des unendliche fernen Punktes entsteht.
Es gibt in G* einen holomorphen Zweig des Logarithmus von [mm] \bruch{z²}{1+z²} [/mm]. D.h. eine holomorphe Fkt. f:G* [mm]\to\IC[/mm] mit
exp(f(z)) = [mm]\bruch{z²}{1+z²} [/mm] für alle z aus G*. Der Zweig sei so gewählt, dass
f(1) reell ist.
Man berechne das Integral [mm] \integral_{|z|=2}^{}{zf(z)dz}[/mm]. |
Ich habe diese Frage in keinem Forum auf anderen Internetseiten gestellt.
Hallo
Also ich weiß bei diesem Integral überhaupt nicht, wie ich ansetzen soll. Zunächst einmal denke ich, dass es sich hier um den Hauptzweig handelt, da f(1) ja reell sein soll.
Jetzt habe ich zwei Ideen:
1. Ich berechne das Integral über den Residuensatz, aber dann weiß ich schon mal gar nicht genau, ob 0, 1 und -1 Polstellen sind, und falls ja, wie sich dann die Residuen berechnen.
2. Ich schreibe den Log als ln|z|+i*arg(z), doch dann stellt sich bei mir die Frage wie ich das Argument im Wegintegral berechnen kann?
Vielleicht ist aber wie so oft das Integral null, und es gibt einen satz der das ganz schnell aussagt?!
Würde mich über einen Lösungsansatz freuen,
LG
Nico
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Es sei [mm]q[/mm] die Quadratfunktion [mm]q(z) = z^2[/mm] und [mm]m[/mm] die spezielle Möbiustransformation [mm]m(z) = \frac{z}{z+1}[/mm]. Das Bild von [mm]\mathbb{C} - [-\operatorname{i},\operatorname{i}][/mm] unter [mm]q[/mm] ist [mm]\mathbb{C} - [-1,0][/mm]. Und dieses Gebiet wird von [mm]m[/mm] auf [mm]\mathbb{C} - (-\infty,0][/mm] abgebildet (berechne etwa [mm]m(-1), m(-0{,}5), m(0)[/mm] und beachte die Kreistreue von [mm]m[/mm]). Letzteres ist aber gerade das maximale Definitionsgebiet des Hauptzweiges [mm]\log[/mm] des Logarithmus, so daß man [mm]f = \log \circ \, m \circ q[/mm] auf [mm]\mathbb{C} - [-\operatorname{i},\operatorname{i}][/mm] definieren kann. Oder als Term:
[mm]f(z) = \log{\frac{z^2}{z^2 + 1}}[/mm] für [mm]z \in \mathbb{C} - [-\operatorname{i},\operatorname{i}][/mm]
Auch die Bedingung [mm]f(1) = \log{\frac{1}{2}} = - \ln{2} \in \mathbb{R}[/mm] ist erfüllt, wobei mit [mm]\ln[/mm] der gewöhnliche reelle natürliche Logarithmus bezeichnet sei.
Es seien weiter [mm]\gamma[/mm] der positive orientierte Kreis um 0 vom Radius 2 und [mm]\gamma_1[/mm] bzw. [mm]\gamma_2[/mm] die positiv orientierten Halbkreise um 0 von [mm]-2 \operatorname{i}[/mm] bis [mm]2 \operatorname{i}[/mm] bzw. von [mm]2 \operatorname{i}[/mm] bis [mm]-2 \operatorname{i}[/mm]. Dann gilt:
[mm]\int_{\gamma}~z \, f(z)~\mathrm{d}z = \int_{\gamma_1}~z \, f(z)~\mathrm{d}z + \int_{\gamma_2}~z \, f(z)~\mathrm{d}z[/mm]
Substituiert man im zweiten Integral rechts [mm]z = -w[/mm], so geht [mm]\gamma_2[/mm] in [mm]\gamma_1[/mm] über (die Punktspiegelung am Ursprung ist orientierungserhaltend), und man bekommt wegen [mm]f(-w) = f(w)[/mm] die Beziehung
[mm]\int_{\gamma_2}~z \, f(z)~\mathrm{d}z = \int_{\gamma_1}~(-w) \, f(-w) \cdot (-1)~\mathrm{d}w = \int_{\gamma_1}~w \, f(w)~\mathrm{d}w[/mm]
Zusammen heißt das
[mm]\int_{\gamma}~z \, f(z)~\mathrm{d}z = 2 \int_{\gamma_1}~z \, f(z)~\mathrm{d}z[/mm]
Auf einer Umgebung [mm]U[/mm] des um seine Endpunkte [mm]\pm 2 \operatorname{i}[/mm] gekürzten Kreisbogens [mm]\gamma_1[/mm] gilt, wenn wieder [mm]\log[/mm] den Hauptzweig bezeichnet:
[mm]z \log{\frac{z^2}{z^2 + 1}} = 2z \log{z} - z \log{(z^2 + 1)} \, , \ \ z \in U[/mm]
(Bei [mm]z = \pm 2 \operatorname{i}[/mm] würde man ganz hinten [mm]\log{\left( (\pm 2 \operatorname{i})^2 + 1 \right)} = \log{(-3)}[/mm] erhalten, aber -3 liegt nicht mehr im Holomorphiegebiet des Hauptzweiges.) Man bekommt die Formel zunächst durch formale Anwendung der Logarithmusgesetze. Weil beide Seiten getrennt betrachtet aber holomorph auf [mm]U[/mm] sind und für z.B. [mm]z =2[/mm] denselben Wert liefern, gilt Gleichheit. Nun kann man aber eine Stammfunktion [mm]G[/mm] der rechten Seite angeben (partielle Integration, Integration durch Substitution):
[mm]G(z) = z^2 \log{z} - \frac{1}{2} \, z^2 - \frac{1}{2} (z^2 + 1) \left( \log{(z^2 + 1)} - 1 \right) \, , \ \ z \in U[/mm]
Nach dem Hauptsatz gilt daher
[mm]\int_{\gamma}~z \, f(z)~\mathrm{d}z = 2 \left( \lim_{z \to 2 \operatorname{i}, z \in \gamma_1} G(z) - \lim_{z \to -2 \operatorname{i}, z \in \gamma_1} G(z) \right)[/mm]
Den Limes muß man bilden, weil [mm]\pm 2 \operatorname{i}[/mm] gerade nicht mehr zu [mm]U[/mm] gehören. Schwierigkeiten macht dabei nur [mm]\log{(z^2 + 1)}[/mm]. Für [mm]z \to 2 \operatorname{i}, z \in \gamma_1[/mm] strebt [mm]z^2 + 1[/mm] von oben gegen -3, symbolisch geschrieben: [mm]-3 + \operatorname{i} \cdot 0[/mm], für [mm]z \to - 2 \operatorname{i}, z \in \gamma_1[/mm] entsprechend von unten: [mm]-3 - \operatorname{i} \cdot 0[/mm]. Man bekommt
[mm]\lim_{z \to \pm 2 \operatorname{i}, z \in \gamma_1} G(z) = -4 \log{(\pm 2 \operatorname{i})} + 2 + \frac{3}{2} \left( \log{(-3 \pm \operatorname{i} \cdot 0)} - 1 \right) = -4 \left( \ln{2} \pm \operatorname{i} \frac{\pi}{2} \right) + 2 + \frac{3}{2} \left( \ln{3} \pm \operatorname{i} \pi - 1 \right)[/mm]
Bei der Differenzbildung fallen alle reellen Bestandteile weg, da sie vorzeichengleich sind, nur die rein imaginären bleiben übrig:
[mm]\int_{\gamma}~z \, f(z)~\mathrm{d}z = 2 \cdot \left( -4 \cdot \operatorname{i} \frac{\pi}{2} + \frac{3}{2} \operatorname{i} \pi - (-4) \cdot \left( - \operatorname{i} \frac{\pi}{2} \right) - \frac{3}{2} \left( - \operatorname{i} \pi \right) \right) = -2 \pi \operatorname{i}[/mm]
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Mir ist da noch etwas Besseres eingefallen. Wenn erst einmal geklärt ist, daß [mm]z \, f(z)[/mm] sinnvoll definiert und holomorph ist, kann man auch so weitermachen:
Für [mm]|w| < 1[/mm] gilt bekanntlich [mm]\log{(1-w)} = \sum_{k=1}^{\infty}~(-1)^k \, \frac{w^k}{k}[/mm]. Speziell für [mm]w = \frac{1}{z^2 + 1}[/mm] mit [mm]|z|=2[/mm] hat man dann (umgekehrte Dreiecksungleichung): [mm]|w| = \frac{1}{\left| z^2 + 1 \right|} \leq \frac{1}{\left| |z|^2 - 1 \right|} = \frac{1}{3}[/mm]
Man darf daher [mm]w = \frac{1}{z^2 + 1}[/mm] in die Reihe einsetzen und findet
[mm]z \log{\frac{z^2}{z^2 + 1}} = \sum_{k=1}^{\infty}~(-1)^k \frac{z}{k \cdot \left( z^2 + 1 \right)^k}[/mm]
In der Reihe besitzen offensichtlich alle Summanden außer dem für [mm]k=1[/mm] Stammfunktionen. Bei der Integration über den geschlossenen Weg [mm]\gamma[/mm] liefern sie daher den Beitrag 0, und es bleibt nur noch der erste Summand übrig:
[mm]\int_{\gamma}~z \log{\frac{z^2}{z^2 + 1}}~\mathrm{d}z = - \int_{\gamma}~\frac{z}{z^2 + 1}~\mathrm{d}z[/mm]
Das letzte Integral kann aber mit einer gängigen Methode (z.B. dem Residuensatz) berechnet werden.
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 14:44 Do 19.04.2007 | Autor: | smarty |
Moin Leopold und
in dem letzten Integral fehlt doch nur noch der Faktor 2 im Zähler und den kann man sich mit [mm] \bruch{2}{2} [/mm] dazu mogeln. Oder ist an [mm] \gamma [/mm] noch was spezielles gebunden?
[mm] I=-\bruch{ln(z^2+1)}{2}
[/mm]
Gruß
Smarty
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Wir sind im Komplexen, und da ist [mm]\log{(z^2 + 1)}[/mm] nicht als holomorphe Funktion auf einer Kreisscheibe um 0 definierbar. Ja, man bekommt da nicht einmal eine stetige Funktion hin. (Allerdings besitzen die anderen Summanden Stammfunktionen, die man genau nach deiner Methode explizit erhält, was jedoch für die Rechnung nicht wirklich erforderlich ist; siehe meinen zweiten Beitrag)
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(Frage) überfällig | Datum: | 15:06 Do 19.04.2007 | Autor: | smarty |
hmm - wie sieht dann die Lösung des Integrals aus, den Residuensatz kenne ich nicht, nur diese Standardlösungen.
danke
Gruß
Smarty
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Ohne Kenntnis der komplexen Funktionentheorie kann ich dir das nicht erklären. Ansonsten siehe meine Antwort auf artic3000.
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 10:51 Fr 20.04.2007 | Autor: | smarty |
Hi,
und schade - hätte mich dann doch wenigstens ansatzweise interessiert
hast du denn vielleicht einen Literaturtipp oder ein Skript parat?
Gruß
Smarty
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 15:20 Sa 21.04.2007 | Autor: | matux |
$MATUXTEXT(ueberfaellige_frage)
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Hallo,
erst mal vielen Dank für deine Hilfe.
Den zweiten Weg finde ich echt super. Mir fehlt an einer Stelle wohl leider etwas Verständnis. Wieso ist es so klar, dass alle Funktionen eine Stammfunktion besitzen, nur die für k=1 nicht?
Außerdem versteh ich auch nicht wirklich, warum ich eine Funktion integrieren kann, die keine Stammfunktion hat. Denn hätte sie eine, dann wäre das Integral ja null.
Wäre schön, wenn du mir da noch einen kleinen Hinweis geben könntest.
Vielen Dank schon mal im Voraus,
LG
Nico
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Für [mm]k = 2,3,4,\ldots[/mm] kann man ja die Stammfunktion von [mm]f_k(z) = (-1)^k \, \frac{z}{k \left( z^2 + 1 \right)^k}\, , \ z \in \mathbb{C}-\left\{ \pm \operatorname{i} \right\} [/mm] unmittelbar angeben:
[mm]F_k(z) = (-1)^{k-1} \, \frac{1}{2(k-1)k \left( z^2 + 1 \right)^{k-1}}[/mm]
Für [mm]k=1[/mm] funktioniert das auch noch lokal in [mm]\mathbb{C}-\left\{ \pm \operatorname{i} \right\}[/mm]: [mm]F_1(z) = - \frac{1}{2} \log{(z^2 + 1)}[/mm] "mit einem geeigneten Zweig des Logarithmus". Und die letzte Formulierung zeigt ja schon, daß es global nicht mehr geht. Das ist ja der Kern der klassischen Funktionentheorie, die Problematik einer Stammfunktion von [mm]z^{-1}[/mm], die auch hier im Hintergrund aktiv ist: [mm]z[/mm] ist durch [mm]z^2 +1[/mm] substituiert. Und so gilt auch in der Tat im einfacheren Fall, wenn sich [mm]\gamma[/mm] einmal positiv orientiert um 0 herumwindet:
[mm]\int_{\gamma}~\frac{\mathrm{d}z}{z^k} = 0[/mm] für [mm]k = 2,3,4,\ldots[/mm]
dagegen:
[mm]\int_{\gamma}~\frac{\mathrm{d}z}{z} = 2 \pi \operatorname{i}[/mm]
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 10:52 Fr 20.04.2007 | Autor: | artic3000 |
Vielen Dank für deine Unterstützung. Hast mir sehr geholfen.
LG
Nico
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